Meine depressiven Episoden haben ansich nichts mit der Krebserkrankung zu tun.
ABER vor der Diagnose und auch während der Therapie war ich nahezu 6 Jahre stabil. Seit Therapieende habe ich bereits 4 mittelgradig bis schwere depressive Episoden durchlebt (04_2021).
Ich glaube ich leide schon mein ganzes Leben an Depressionen. Aber die erste „richtige“ Episode hatte ich mit circa. 22 Jahren.
Damals wusste ich nicht, dass ich krank bin. Ich wusste nur, von einem Tag auf den anderen erschien es mir als unüberwindbare Hürde mir zB einen Tee herzurichten.
Ich weiß auch noch, dass ich mir beim Autofahren oft dachte: „Wenn ich jetzt gegen diesen Baum fahre, dann wäre das gut“.
Ich blieb damals untherapiert, und dementsprechend lange (wenn auch nicht sehr intensiv) dauerte auch diese Episode… Ich glaube vielleicht ein Jahr – bis ich mich wieder ganz wie ich selbst fühlte.
Ab diesen Zeitpunkt war es ein ständiges Auf und Ab, wobei die Episoden immer intensiver und die Abstände auch immer kürzer wurden. Ich kämpfte mit Handlungsblockaden – auch in den vermeintlich gesunden Zeiten.
Wie fühlen sich MEINE Depressionen an?
Depressionen gibt es in den unterschiedlichsten Ausprägungen. Wo bei dem einem die Trauer vorherscht. Ist bei dem anderen Angst, das vorherschende Gefühl…
Bei mir ist das vorherschende Gefühl „Angst“. Wo ich sonst eher der nicht so ängstliche Typ bin, und auch ein sehr sonniges Gemüt habe. Bin ich an einer Depression erkrankt, dann macht mir so ziemlich alles Angst und alles erscheint unbewältigbar und bedrohlich.
Eine der präsentesten und ersten Ängste des Tages ist das morgendliche Anziehen. Sich jetzt für eine Hose zu entscheiden, und diese anzuziehen erscheint mir als ein unüberwindbares Hindernis. Jetzt wo ich gesund bin – scheint es mir fremd und absurd, aber in der Depression ist es einfach Realität.
Und dann beginnt auch schon die Gedankenspirale:
Ich kann mich nicht anziehen, mein Gewandt ist auch nicht gut genug (hat zB ein Loch etc), ich kann nicht duschen, kann nicht arbeiten, ich werde zum Sozialfall, keiner will mehr was mit mir zu tun haben, ich werde auf der Straße landen, oder die restlichen Tage alleine auf der Psychiatrie verbringen.
Anfangs weiß ich ganz genau (aus Erfahrung) – Nadja – das ist die Depression die dich so denken lässt, es geht wieder vorbei, du wirst wieder gesund, das ist nicht die Realität.
Je länger aber die Episode andauert – diesmal waren es 2,5 Monate davor fast 4 Monate – werden diese Gedankenspiralen immer mehr zu inneren Realität.
Es gibt 2 vorherschende Szenarien:
Die absolute Leere: Stellt euch vor ihr würdet euch innerlich komplett leer fühlen, als hätte jemand einem die Fähigkeit zu Fühlen, zu Kommunizieren, zu Leben mit einem Löffel komplett ausgehölt. Und dann stellt euch noch vor, dass ihr nackt in einem unendlichen leeren grauen Raum, zusammengekauert am Boden liegt.
Das Gefühl lebendig begraben zu sein: Das andere Szenario – das überwiegend präsent ist – ist folgendes: In mir brodelt es. Als wären 100te schlimme Dinge gleichzeitig passiert. Es läuten die Alarmglocken unentwegt. Jedoch äußerlich bist du vollkommen erstarrt.
Vergleichbar mit dem Gefühl in einem unglaublich engen Sarg 10 Meter unter dem Boden aufzuwachen und bei vollkommenen Bewusstsein zu sein.
Stress als Auslöser
Die Chemotherapie hat mir aufgezeigt, dass es der übermäßige Stress ist, der mich depressiv werden lässt. Egal ob positiver oder negativer Stress. Zur EC Chemo bekam ich Kortison zur Nebenwirkungsbekämpfung und daraufhin fühlte ich mich von einem auf den anderen Moment wie in einer depressiven Phase. 2 Tage später wieder weg. Wir haben dann das Kortison zumindest reduziert, was besserung brachte. Seither bin ich mir bewusst, ich muss sehr auf meinen Stresslevel achten um weitere depressive Episoden zu vermeiden.
Was ich in der Depression alles nicht kann:
Vor allem morgens bis circa 17:00 fällt mir Folgendes unendlich schwierig:
Anziehen, Essen, Trinken, Körperpflege, Arbeiten ist unmöglich, Kontakt mit anderen Menschen, Telefonieren, generell habe ich große Angst davor, dass sich jemand per Telefon meldet, mit meinem Sohn spielen – unmöglich – jegliche Kreativität ist aus meinem Gerhirn verschwunden, was geht ist Bücher vorlesen oder einfach Spiele mit klaren Regeln spielen.
Teilweise kann ich jedoch nicht mal dem Inhalt eines sehr trivialen Kinderbuchs folgen. Ich lese zwar mechanisch, aber es kommt nichts an. Mensch ärgere dich nicht ist zB. schon fast zu komplex, und ich kann mich auch nicht wirklich an die doch sehr einfachen Regeln erinnern.
Und was ich vor allem nicht kann ist es Freude, Interesse oder irgendetwas anderes außer Angst und Verzweiflung zu empfinden. Komme ich doch mit anderen Leuten in Kontakt, dann muss ich normale Reaktionen vortäuschen. Ansonsten wäre der Kontakt mit mir glaube ich extrem creepy.
Wo ich sonst eher ein heiteres und humorvolles Naturell bin, empfinde ich nicht das Geringst wenn jemand anderes einen Scherz macht. Und das ist für mich sehr schlimm, zu wissen, dass ich normalerweise jetzt lachen würde und Freude empfinden würde und es ist nur Angst da. Daher fake ich auch meine sonst normale Reaktion, weil auch ein Fake Lachen im Körper auf Dauer eine Hormonausschüttung initieren kann…
Alle meine sontigen Interessen sind wie weggelöscht. Und zusätzlich habe ich dann auch noch das Gefühl, was für eine lächerliche Person ich doch bin, mich normalerweise mit allem möglichen zu beschäftigen, und dass es ja nur deswegen ist, dass ich wieder in einer Depression gelandet bin.
Ich glaub ich könnte noch ewig weiterschreiben, und werde sich auch noch mit der Zeit einiges ergänzen. Aber fürs erst lass ich es mal so stehen. 🙂